Montag, 22. August 2011

Regel 3: Vampire und Opfer

Das waren für die alten Hasen fantastische Wochen ... kein Kampf kein Scalping, kein hin und her - einfach nur Short. Viele junge und angehende Trader hat es zerissen und viele haben zum ersten mal gesehen, dass es auch einen Südpol gibt - und das dieser tatsächlich härter und kälter ist als der Nordpol.

Viele denken schon nach kurzer Zeit an der Börse sie hätten begriffen worum es geht und das nur, weil Sie ein paar Wochen oder Monate Gewinne einstreichen, aber dies ist letzten Endes nicht deren eigene Geschichte sondern sie sind nur kleine Spielbälle in der großen Geschichte der anderen: Anfangs züchtet der Automatismus der Börse sich diese kleinen Träumer heran, er nährt sie und macht Sie dick und fett; nur um seinen besten Schachzug auszuspielen: Das unmerkliche Implantieren von Hochmut und unbegründeten Selbstbewusstsein - es sind die idealen Opfer, die nur darauf warten ausgesaugt zu werden.

Die Ähnlichkeit mit Vampiren und Ihren Opfern ist grandios, denn im klassischen Vampir-Epos gibt es nur zwei Alternativen: Entweder das Opfer stirbt oder es wird selber zum Vampir. Diejenigen, die zum Vampir werden, müssen sich bewusst machen, dass sie als langfristiger Gewinner an der Börse viele anderer kleine Opfer aussaugen, da hilft es auch nichts, sich zur eigenen Entlastung bewusst zu machen, dass es noch viel dickere Vampire gibt - aber wie schon in einem anderen Artikel beschrieben spielt Moral an der Börse nur eine untergeordnete Rolle und der Vampir kann eben in seiner Welt durchaus moralisch sein. In den klassischen Romanen sind die Vampire nicht wirklich böse, sondern sichern nur ihre eigene Existenz und leben in ihrer eigenen Welt, die mehr Risiken als Vorzüge bietet  - ein einziges starres Verharren kann im Morgengrauen zur Vernichtung führen.

Was hat das nun mit einer Regel gemein? Die Regel die sich ergibt ist so trivial wie die Einleitung:


Willst Du Trader (werden) werden, dann werde es mit Haut und Haaren und sei Dir bewusst darüber, dass es keinen Rückweg gibt

Dies klingt beim ersten Lesen ein wenig seltsam und ich versuche es zu erklären:
Der Unterschied zwischen Trader und Investor ist jedem vermutlich klar, was aber viele angehende Trader nicht wissen ist, dass sich ihr Leben schleichend ändert. Nach einigen Jahren vor dem Monitor entsteht eine psychologische Abhängigkeit vom Markt, man will immer und jederzeit wissen wie es aussieht, jede Gelegenheit wird man nutzen über den Markt nachzudenken, man bewertet alle Nachrichten auf der Welt unter börsentechnischen Gesichtspunkten - Wirtschafts- und Weltkrisen werden zu Parties. Der neutrale Blick auf das Elend der Welt wird schrumpfen, dass eigene Überleben wird stärker in den Vordergrund gerückt als jemals zuvor.
Hört sich nicht viel anders an als in anderen Berufen, nur mit dem feinen Unterschied, dass nach einer geraumen Zeit die Spieler-Komponente eine dominante Rolle spielen wird. Spielen macht Spass und damit macht das Traden - auch wenn es mitunter langweilig wirkt - irgendwann mehr Spass als jeder andere Beruf. Es macht auch dann noch Spass wenn man verliert; denn selbst wenn ich eine Woche lang nur verliere und dann am letzten Tag der Woche wieder gewinne - so empfinde ich plötzlich wieder Spass und Freude und genau dieser "Spielspass" suggeriert mir, dass ich das Richtige mache.

Eines Tages kommt dann der große Verlust! An dieser Stelle haben wir die letzte Absprung-Gelegenheit. Wer jetzt nicht abspringt wird von den Märkten mit Haut und Haaren verschlungen (nicht im finanziellen Sinne). Der Bann nimmt seinen Weg, man kämpft, lernt, siegt, verliert und schafft es oder schafft es eben nicht - aber nach dieser Schlacht bleiben ewigen Wunden:

Sollte man erfolgreich sein, ...

  • wird man unmerklich überheblicher und mit jedem Jahr schrumpft bzw. verschiebt sich der Freundeskreis,
  • wird der Anspruch an das eigene Leben erheblich nach oben korrigiert,
  • verändert sich der eigene Gerechtigkeitssinn,
  • etc.


Sollte man nicht erfolgreich sein, ... 
  • wird man Dinge verteufeln, die mit der Börse im Zusammenhang stehen,
  • wird man ein Leben lang an seine Verluste und Niederlagen erinnert (letzteres ist nicht zu unterschätzen),
  • wird man seine Dummheit bereuen und gerne die Zeit zurückdrehen wollen,
  • etc.


Liest man das noch einmal wird man feststellen, dass beide Pfade keine wünschenswerten Wertvorstellungen vom Leben verbergen, allerdings ist dies auch nur ein Auszug der wesentlichen Züge - die restlichen Vor- und Nachteile mag sich der Leser selbst denken.
Nur eins sollte klar sein: Es gibt keine Rückkehr ins "normale" Leben.




Hier ist die Performance-Historie inklusive einer Übersicht über die Twitter-Signale: Übersicht Anmerkung: Dies sind meine persönlichen Handels-Regeln; sie sind keine Empfehlung oder als Finanzberatung für Eurer Trading zu verstehen.

Dienstag, 15. März 2011

Lektion 10: Moral

Nachdem ich einem etwas längeren Urlaub genommen hatte und schon längst anfangen wollte zu bloggen, haben sich in den letzten Wochen die Ereignisse überschlagen. Zu meinem persönlichen Ärgernissen kann ich nicht viel schreiben, aber die Probleme meines Hauptkunden mit deren Tochtergesellschaften forderten viel Aufmerksamkeit und gerade als ich an Freizeit dachte began die Libyen-Krise.

Was gibt es Größeres für einen Trader als Krisen, Katastrophen und das Unglück anderer? Nichts! Diese Krisen machen uns reich. Wer als Daytrader seit dem Erdbeben in Japan (verg. Freitag) nicht jede Nacht mit nur 3-4 Stunden Schlaf auskam, verpasste seine Chancen enorme Gewinne einzustreichen. So ist es zum Beispiel unvermeidbar gewesen, dass der Nikkei um ca. 10% fällt und wer sich Freitag mit 100+ Kontrakten positioniert hat, hat in zwei Handelstagen ein Vermögen gemacht. Es ist egal was man handelt; es gibt kaum einen japanischen Wert der dieser Katastrophe standhält. Gleiches gilt für Unternehmen, die Libyen zu ihren Hauptkunden zählen.
Dieser Markt bietet Chancen für alle Trader - es ist nur wichtig, die richtigen Märkte herauszufiltern. Ich möchte hier nicht weiter in direkte Empfehlungen gehen, aber Indizes, Öko-/Versorger-Werte und technisch schwache Werte in Seitwärtsphasen sind sind vermutlich interessant - naturgemäß intraday-volatile Märkte sind zu vermeiden, da sich ihre Volatilität verstärkt und die eng gesetzten Stops sowohl im kurzfristigen als auch im langfristigen Trading vernichtet werden. Mindestens genauso wichtig ist aber auch aufmerksam zu verfolgen, wann die Märkte wieder drehen und der Aufschwung wieder einsetzt.

Aber wie ist das mit der Moral? Ist das überhaupt vertretbar? Wer darüber nachdenkt und im Handeln zögert hat keine Chance ein guter Trader zu werden - ein guter Trader erkennt seine Chance und denkt bei einem Trade nicht daran, was dieser anderen bedeuten könnte. Genauso wie wir uns am Leid anderer bereichern, muss man aber auch immer wieder erwähnen, dass wir die Katastrophen nicht herbeisehnen oder gar schüren; nein, wir Trader reiten nur die Welle. Man sollte an dieser Stelle die Diskussion mit jedem abbrechen, der dies anders sieht; denn Moral hat im einer wirtschaftlich orientierten Gesellschaft leider keinen großen Stellenwert und wenn ich am Trading-PC sitze gilt nur: Fressen oder gefressen werden. Wohlgemerkt sehe ich an dieser Stelle dennoch ein Unterschied zu anderen Wirtschaftszweigen wie z.B. der Rüstungsindustrie - ich sehe keine direkten, negativen Folgen meines Handelns für das "kleine" Volk - das ist sicher diskussionswürdig - aber nicht im Rahmen dieses Blogs.

Aber sind wir Trader deshalb auch unmoralische Menschen? Nein, nach dem Job schaue ich auf mein Einkommen - und wenn es groß ist, gebe ich etwas ab: Ich spende oder unterstütze soziale Einrichtungen; im Falle Japans ist mein Spende vermutlich (gemessen am Monatsgehalt) prozentual größer als die der meisten anderen Spender. Ich bin ein sehr moralischer Mensch - aber erst wenn ich das Büro verlasse.
Jeder, der also Trader in ihrem Handeln kritisiert, sollte sich vorher fragen, wie sozialengagiert er selber ist - was leistet man selbst für den Weltfrieden und für die, vom persönlichen Standpunkt aus gesehen, sozial schwächere Masse?


Hier ist die Performance-Historie inklusive einer Übersicht über die Twitter-Signale: Übersicht Anmerkung: Dies sind meine persönlichen Handels-Regeln; sie sind keine Empfehlung oder als Finanzberatung für Eurer Trading zu verstehen.

Donnerstag, 6. Januar 2011

Lektion 9: Ernsthaftigkeit

Ich wünsche allen ein gesundes neues Jahr und kündige schon mal gleich an, dass ich noch mal raus muss aus Deutschland - ich komme frühestens im März wieder; denn es ist hier unerträglich ungemütlich (bzgl. des Wetters). Handeln und posten werde ich allerdings trotzdem - nur eben unregelmäßig.

Die folgende Lektion wird eingeleitet von der Antwort auf einen Kommentar, in dem nach meinem Trading-Alltag gefragt wurde.

Ich versuche hier einen kleinen oberflächlichen Abriss zu geben und möchte ergänzen, dass ich auf Grund meines Alters mehr Schlaf brauche als früher und dies meinem heutigen Alltag entspricht - zwischen meinem 20. und 32. Lebensjahr habe ich fast täglich 14-16 Stunden am Tag gehandelt (drei Jahre davon im Pit) - dann noch ein paar Stunden (auch fast täglich) gefeiert und nur drei bis vier Stunden geschlafen - ich habe dafür einen hohen Preis gezahlt und war mit 33 Jahren ein klassisches Burnout-Opfer. Mein damaliger Arbeitgeber bezahlte mir danach ein halbes Jahr einen persönlichen Psychotherapeuten und schickte mich auf Kur, um mich wieder aufzupäppeln. Keine schöne Zeit, aber ich möchte sie trotzdem nicht missen. Kurze Zeit danach habe ich mich selbständig gemacht und mein Leben Stück für Stück umstrukturiert.

Ich stehe in der Regel (an allen normalen, internationalen Handelstagen) um 6 Uhr auf, laufe dann eine halbe Stunde, gehe in die Sauna, dusche und frühstücke. Während des Frühstücks lese ich den Tagesspiegel und die Times im Netz und schaue nebenbei bloomberg-tv, das ist ein bisschen Einstimmung und wirklich klischeehaft, ausser Frage.
Gegen 8.00 Uhr bin ich Büro und sitze exakt bis 8.30 Uhr mit meinen Mitarbeitern zusammen, um die Märkte und besondere Kundenwünsche bzw. die unterschiedlichen Portfolios zu besprechen, dann handle ich durchgehend bis 18:00 Uhr.
Ich esse, trinke und mache alle Pausen vor meinen Screens, wir haben ein Rudergerät, einen Stepper und ein Rad im Büro, um zwischendurch einen Bewegungsausgleich zu haben - während man z.B. auf dem Rad sitzt kann man über einen Monitorswitch den Handelsscreen auf eine Leinwand übertragen. Nur zwei von fünf Personen nutzen traurigerweise diese Geräte. An ruhigen Tagen lese ich Blogs und Nachrichten, schaue auch manchmal eine DVD an oder telefoniere mit befreundeten Tradern - sämtliche Aktivitäten enden allerdings abrupt, sobald Action in den Markt kommt.
So läuft es jeden Tag bis auf Freitags. Freitags wird nur bis 15:30 Uhr gehandelt, dann gibt es danach eine Wochenbesprechung bzgl. der Trades und unserer Handelsansätze. Im Gegensatz zu andern Firmen wird bei uns nie über persönliche Tradingfehler gesprochen; die ist auf den ersten Blick eine ungewöhnliche Philosophie und hat für mich aber eine besonders wichtige Bedeutung (schreibe ich später noch mehr zu). Ich halte Fehlerdiskussionen im professionellen Bereich nicht für sinnvoll. Natürlich gibt es noch viele kleine Details, allerdings ist hiermit mein Tagesablauf einigermaßen beschrieben.

Wenn ich die Firma verlasse habe ich frei - auch im Kopf und verschwende bis zum nächsten Morgen keine Sekunde mehr an die Börse.

Was hat das mit der Lektion Ernsthaftigkeit zu tun? 

Ich bin nicht ganz der Meinung wie einige andere, dass Trading ein Job wie jeder andere ist. Die Unterschiede sind zu gravierend, als könnte ich es gleichermaßen betrachten. Nichts desto trotz ist es ein Beruf und in diesem muss man besondere Regeln der Zuverlässigkeit und Disziplin beachten, da Fehler unmittelbar wirken und keine Gnade vergeben wird. Es gibt keine zweite Chance!

Um Trader zu sein oder zu werden bedarf es einer besonderen Ernsthaftigkeit für den Beruf. Wer nur an der Eurex handelt und bis 10:00 Uhr schläft oder nur die US-Märkte handelt und um 18:00 Uhr Feierabend macht hat verloren. Wer Geld verdienen will, aber das Risiko scheu ist ebenso verloren wie jemand der an finanzielle Gerechtigkeit und Fairness glaubt.

Wer sich ernst nimmt betrachtet sich von aussen und versucht objektiv zu bewerten, ob dass was er sieht zufriedenstellend ist (die objektive Sicht ist dabei sicherlich das Schwierigste). Die Selbstbegutachtung  fängt an bei der Begründung warum man tradet und endet bei der moralischen Einstellung zum Geld.

Besonders wichtig ist die Antwort auf die Frage: Was mache ich wenn morgen der Handel an der Börse verboten wird - wo stehe ich dann, was werde ich machen? Wer darauf keine Antwort hat, zählt im weitesten Sinne zu den ganz normalen Arbeitnehmern, die jederzeit arbeitslos werden können und zum Amt gehen müssen, um zu überleben. Die richtige Antwort sollte in der Art lauten: " ... dann mache ich eben ... " oder " ... meine Reserven reichen für die nächsten... Jahre". Darüber muss man eine Weile nachdenken ... ist dem einen oder anderen vielleicht eine bittere Erkenntnis.

Darüber hinaus gibt es noch viele andere Dinge, die man nennen kann, wie zum Beispiel, dass man sich zwingen sollte sich nicht im Jogginganzug oder Schlafanzug an den Rechner zu setzen und Trades abzusetzen - das ist respektlos und der Markt wird es bestrafen.

Vieles mehr gehört zu Ernsthaftigkeit und wer ein wenig drüber sinnt wird noch viele andere Punkte finden, die er beim Trading nicht so umsetzt wie in anderen Lebensbereichen ... bleibt also nur die Frage, ob es in den anderen Lebensbereichen rund läuft :-).